Teil I:
Bei Heinen Leder gibt es seit Kurzem mit terracare® cf eine chromfreie Variante. Wir möchten von Geschäftsführer Thomas Heinen wissen, was es damit auf sich hat und welche Vorteile es bringt.
Herr Heinen, was genau steckt hinter terracare® cf?
Thomas Heinen: terracare® cf ist unser neues chromfreies Leder. Es ist pflanzlich nachgegerbt und kompostierbar. Wir arbeiten mit einem neuartigen Gerbverfahren, das ohne Aldehyd auskommt. Aldehyd ist giftig und entspricht nicht unseren Ansprüchen an Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit, war allerdings bisher in chromfreien Gerbverfahren unerlässlich. Wir verwenden Zeolith, ein Kristall.
Was ist das Problem mit Chrom?
Thomas Heinen: Hier muss man etwas Aufklärung leisten. Problematisch ist nämlich nur Chrom VI. Aber starten wir vorne: In der konventionellen Lederproduktion kommt Chrom III zum Einsatz. Dieses ist nicht umweltschädlich, weil es in der Kläranlage aus dem Wasser ausgefällt wird, und es ist nicht gesundheitsschädigend. Problematisch ist ausschließlich Chrom VI – ein Stoff, der mit Chrom III lediglich den Namen gemeinsam hat und sehr giftig ist. Dieser entsteht nur, wenn man unsachgemäß gerbt. Das passiert allerdings in modernen Gerbereien nicht.
Pflanzliche Gerbung – das klingt umweltfreundlicher als Chromgerbung. Stimmt das?
Thomas Heinen: Nein. Viele denken, pflanzliche Gerbung wäre für die Umwelt und die Gesundheit weniger schädlich. Allerdings verwendet man für ein chromfreies Leder in der Vorgerbung bisher Aldehyd. Mit diesem problematischen Zusatz wollten wir nicht arbeiten, weil er schädlich für die Gesundheit unserer Mitarbeiter sein kann. Die Chromgerbung hat gegenüber der pflanzlichen Gerbung mit Aldehyd also einen klaren Gesundheitsvorteil.
Wie unterschieden sich terracare® und terracare® cf?
Thomas Heinen: Jedes Leder aus unserem Haus ist ein terracare®-Leder – nach höchsten Standards produziert und so umweltfreundlich und nachhaltig wie möglich. terracare® ist mit Chrom gegerbt, terracare® cf dank der Gerbung mit Zeolith pflanzlich und ohne Chrom. Allerdings auch ohne Aldehyd. Und das Beste daran: terracare® cf ist kompostierbar. Wir kommen der Idee des Kreislaufs also ein kräftiges Stück näher. Das aus der Tierhaut produzierte Material Leder wird am Ende seines Lebens wieder zu Natur.
Gibt es unterschiedliche Einsatzbereiche für terracare® und terracare® cf?
Thomas Heinen: Das Produkt am Ende des Gerbverfahrens ist ein anderes. terracare® ist stabiler und wasserabweisender als die chromfreie Variante. Es eignet sich sehr gut für Outdoor-Schuhe. terracare® cf hat eine wunderschöne Haptik – es ist das perfekte Produkt für Gürtel und kleine Accessoires oder Fashion-Schuhe, die weniger wasserabweisend sein müssen, sondern vor allem komfortabel.
Welche Ziele haben Sie mit terracare® cf?
Thomas Heinen: Die Zukunft gehört dem Kreislaufgedanken – und wir möchten das gerne noch mehr forcieren. Dazu gehört, dass der Einsatzbereich für terracare® cf größer wird – beispielsweise auch für die großen Outdoormarken. Dafür brauchen wir allerdings noch etwas Entwicklungsarbeit, bis wir die Funktionalität von Chrom-Leder erreichen, die hier unerlässlich ist.
Teil II:
Materialalternativen zu Leder gibt es viele, die Nachfrage steigt. Über die unschlagbaren Vorteile von Leder als Material spricht Thomas Heinen im zweiten Teil des Interviews.
Herr Heinen, es gibt einen größer werdenden Markt an Leder-Alternativen aus unterschiedlichsten Materialien. Was hat es damit auf sich?
Thomas Heinen: Das hat zum einen sicherlich damit zu tun, dass immer mehr Menschen sich genau überlegen, was sie konsumieren. Viele möchten den Faktor „Tier“ auf einem möglichst niedrigen Niveau halten – aus unterschiedlichsten Gründen.
Zum anderen wird Leder auch wegen seiner Herstellung immer kritischer betrachtet. Hier sind viele Vorurteile im Umlauf – das hatten wir ja im ersten Teil des Interview schon mal besprochen. Ein Beispiel ist der Einsatz von Chrom. Die tierfreie Alternative scheint auf den ersten Blick nachhaltiger, umwelt- und tierfreundlicher zu sein.
Und das stimmt nicht?
Es ist nicht so einfach. Fangen wir beim Leder an: Die Haut ist ein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Es werden also keine Tiere nur für ihre Haut geschlachtet. Das heißt, die Häute sind übrig. Die Lederproduktion ist somit eine hervorragende Möglichkeit, sie zu nutzen – auch aus Respekt vor dem Tier. Wir verwenden also ein Produkt, das es bereits gibt, und upcyceln es. In der Herstellung von Leder-Alternativen wiederum wird ein neues Material erzeugt. Dieses besteht fast immer aus einem erdölbasierten Stoff und gegebenenfalls anderen Fasern, teilweise auch aus Pflanzen. Es funktioniert nicht, einen Lederersatzstoff nur aus Pflanzenfasern herzustellen, weil er nicht reißfest wäre. Das heißt, wir schaffen hier ein Stück Kunststoff, das es vorher nicht gab und das auch niemals verrotten wird. Im Gegensatz zu unserem neuen terracare® cf, das sogar kompostierbar ist.
Wie ist es um die Funktionalität bestellt?
Schuhe aus Lederalternativen halten niemals so lange wie ein Lederschuh. Sie landen irgendwann auf dem Müll. Meist ist aber auch das Produkt als solches gar nicht für eine lange Lebensdauer – ich denke zum Beispiel an modische Sneaker, die nach einer gewissen Zeit auch optisch nicht mehr up to date sind. Der Lederschuh wird im Gegensatz dazu mit Blick auf Haltbarkeit, Langlebigkeit produziert. Er kann neu besohlt werden. Leder ist auch generell widerstandsfähiger, robuster, was vor allem im Outdoorschuh-Bereich extrem wichtig ist.
Auch das Fußklima ist in beiden Varianten sehr unterschiedlich: Plastik/ (Lederalternativen mit Kunststoff) atmet nicht, der Fuß schwitzt, die Feuchtigkeit kann nicht entweichen. Daher stinken getragene Sneaker auch häufig sehr stark. Leder wiederum ist von Natur sowohl atmungsaktiv als auch schmutz- und wasserabweisend. Es ist einfach ein fantastisches Material!
Sollte sich also jeder nur noch Lederschuhe kaufen?
Generell ja, aber es gäbe trotz steigenden Fleischkonsums weltweit gar nicht genug Tierhäute, um jedem ein Paar Lederschuhe zur Verfügung zu stellen. Ich denke, es ist wie immer ein Abwägen. Man sollte seine Kaufentscheidung eben gut durchdenken. Was brauche ich wofür, wie lange soll es halten und welchen Fußabdruck hinterlasse ich damit?